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Frontal21 vom 6. Mai 2003

Maßloses Lauschen

Teil 2

Millionen Bürger werden belauscht, obwohl das nach dem Gesetz gar nicht zulässig ist. Denn die Abhörmaßnahmen der Polizei unterliegen eigentlich strenger Kontrolle.

 

Frontal21 - das Magazin im ZDF

Millionenverschwen-dung für löchrige Polizisten-Schutz-westen; Die Wahl und die Wahrheit; Gehirnschäden durch Ecstasy

nächste Sendung:
14.06.05 21:00 Uhr

 
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Maßloses Lauschen, Teil 1 des Beitrages
Beitragsecho: Maßloses Lauschen - Diskutieren Sie mit!
   

Ein Amtsrichter muss jeden Antrag der Staatsanwaltschaft auf Telefonüberwachung genehmigen. Und das darf er nur bei begründetem Verdacht auf schwere Straftaten, wie Mord oder organisierter Drogenhandel.

 
   

Wissenschaftler der Universität Bielefeld haben Hunderte richterlicher Anordnungen auf Telefonüberwachung untersucht. Sie kommen zu einem erschreckenden Ergebnis: Die Richter genehmigen fast immer kritiklos die Lauschangriffe, die die Staatsanwälte fordern. Über 90 Prozent der Anträge übernehmen die Richter wörtlich.

 
 
Christoph Gusy

Fehlerhafte Anträge
     Professor Christoph Gusy, Universität Bielefeld: "In unserer Bielefelder Untersuchung haben wir festgestellt, dass von über 500 Anträgen nur einer von einem Richter abgelehnt worden ist. Das heißt: Wenn die Polizei einen Antrag anregt und die Staatsanwaltschaft diesen Antrag stellt, so bekommt sie ihn mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit durch."

Die Richter sollen als Kontrollinstanz Bürger vor ungerechtfertigter Überwachung schützen. Stattdessen genehmigen sie sogar fehlerhafte Anträge, in denen Begründungen für die Überwachung fehlen - so die Studie.

Gusy: "Wir haben die richterlichen Anordnungen auf Telefonüberwachung auch auf ihre Vollständigkeit hin untersucht. Dabei haben wir festgestellt, dass circa 75 Prozent der Anordnungen nicht vollständig sind. Dies entspricht in etwa dem Wert der staatsanwaltschaftlichen Anträge, die auch zu über 70 Prozent nicht vollständig sind. Insgesamt lässt sich sagen: Die richterliche Mitwirkung verfehlt für den Betroffenen ihre Rechtsschutzfunktion."

 
   

Ein klarer Gesetzesverstoß
     Noch bedenklicher ist: Die Betroffenen können nicht einmal sicher sein, dass der Lauschangriff gegen sie nach Recht und Gesetz erfolgt. Die Bielefelder Studie belegt: Die Abgehörten erfahren in der Regel nicht, dass sie überwacht wurden. Das ist ein klarer Gesetzesverstoß.

 
   

In der Studie heißt es wörtlich: "Eine ausdrückliche Benachrichtigung der Anschlussinhaber erfolgte lediglich in rund drei Prozent der Fälle. Es fehlt jegliche Sensibilität dafür, dass es sich hierbei um Grundrechtseingriffe handelt."

 
   

FRONTAL21 bittet das Bundesministerium der Justiz um eine Stellungnahme zur umstrittenen Abhörpraxis. Ein Interview wird abgelehnt. Das Ministerium weigert sich auch, seine neuesten Erkenntnisse über die Effizienz der Abhörmaßnahmen mitzuteilen. Denn das Freiburger Max-Planck-Institut für Strafrecht hat dem Justizministerium schon vor Monaten einen Zwischenbericht zur Wirksamkeit der Telefonüberwachung vorgelegt. Auch Bundestagsabgeordneten wird das Papier bis heute vorenthalten.

 
 
Jörg van Essen

Es bleibt vieles im Dunkeln
     Jörg van Essen, FDP-Rechtsausschuss: "Mich ärgert das ganz außerordentlich. Es ist für mich auch gar kein Grund ersichtlich, warum er den fachbefassten Abgeordneten nicht zugeleitet wird. Es gibt nur eine Vermutung: Offensichtlich ist das Ergebnis dieses Berichtes nicht so, dass er dem Justizministerium gefällt. Dafür könnte ja auch sprechen, dass wir eine ähnliche Untersuchung in Bielefeld gehabt haben, die deutlich gemacht hat, dass wir in erheblichem Umfang dort Maßnahmen haben, die durch die Strafprozessordnung nicht gedeckt sind."

Es bleibt vieles im Dunkeln, wenn der Staat seine Bürger belauscht: zurückgehaltene Studien, fragwürdige Richterbeschlüsse, fehlende Information der Betroffenen und eine unbekannte Zahl belauschter Bürger. Die Abhöropfer können sich nicht darauf verlassen, dass alles nach rechtsstaatlichen Grundsätzen abläuft, wenn die Polizei in ihre Telefonleitung eindringt.

 
   

Ein unangenehmes Gefühl für die Betroffenen

 
   

Ein Abhöropfer: "Es ist einfach ein unangenehmes Gefühl, weil man denkt: Jedes Wort, was ich sage, wird irgendwo aufgezeichnet von Leuten, die ich nicht sehe, die ich nicht kenne und die ich nicht fragen kann. Und von denen ich auch nicht weiß, was sie eigentlich von mir wollen. Und ich gehe davon aus, dass jedes Gespräch, das ich führe - und das sind mehrere hundert im Monat - auf irgendeinem Band mitgeschnitten wird und dass darüber auch Daten gespeichert werden über Freunde, Bekannte, Kollegen von mir, auch natürlich Berufsgeheimnisse. Das ist ein sehr einschränkendes und unangenehmes Gefühl, auch weil das Gegenüber völlig ungreifbar bleibt."

 
 
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